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Rede gegen Rechts am 30.01.2024 auf Nikolaikirchhof

Guten Abend zusammen und danke, dass Ihr mir kurz zuhört,

sie leugnen die Klimaerwärmung, wenn es schneit, sie würden Regenbögen verbieten, wenn sie könnten, weil diese für Vielfalt stehen, sie lieben Remigranten und verehren die Trumps, Putins und Orbans dieser Welt. Und wenn sie an der Macht sind, deportieren sie auch uns Demokratiebewegte nach Nordafrika, das haben sie sich auf ihrer kleinen Wannsee-Konferenz so überlegt. Aber, sie haben trotz ihrer Kleingeistigkeit aus der Geschichte gelernt und zwar, dass sich die verhasste Demokratie mit demokratischen Mitteln beseitigen lässt. Und genau daran arbeiten sie mit Leidenschaft, Eloquenz und taktischem Geschick. Und, so muss man leider feststellen, nicht ohne Aussicht auf Erfolg.

Uns alle, die wir hier neben der Nikolaikirche und hinter der Demokratie stehen, eint der gemeinsame Wille, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu beschützen. Wir müssen uns nicht wieder und wieder gegenseitig erzählen, warum wir hier auf dem Nikolaikirchhof stehen. Lasst uns lieber kritisch hinterfragen, wie effizient unsere Präsens in den öffentlichen Räumen ist, ob sie tatsächlich ausreicht, den rechten Dumpfbacken Einhalt zu gebieten.

Ja, wir produzieren beeindruckende Bilder und nicht weniger beeindruckende Zahlen. Das ist gut so. Denn Bilder bewegen. Sicherlich nicht diejenigen, die sich bereits festgelegt haben, ihr Kreuz bei den diesjährigen drei Wahlen hinter eine demokratiefeindlichen Partei zu setzen. Unser Protest wird sie in ihrer geschichtsvergessenen Haltung nur bestärken. Bei Kindern nennt man das Trotzreaktion.

Anders die Unentschlossenen. Auf sie dürften die Bilder, die wir mit unserem Protest erzeugen, wirken. Sie werden aufschrecken und feststellen, dass nicht die Rechten Verführer das Volk sind, sondern wir, die wir uns hier und in so vielen weiteren Städten unseres Landes für Freiheit, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Alleine sie zu erreichen, lohnt es sich, wieder und wieder auf die Straße zu gehen.

Und dann sind da die Nichtwähler. Anders als am 9. Oktober 1989 ist es heute ungefährlich, auf die Straße zu gehen. Und dennoch gibt es sie auch heute wieder in großer Zahl. Diejenigen, die hinter den Gardinen stehen und zuschauen. Sie sind es, um die sich jeder von uns kümmern kann und muss. Ihr Anteil lag bei den letzten Kommunalwahlen 2019 bei 40%, bei den Landtagswahlen bei 34% und bei den Europawahlen bei 49%. Wenn fast jeder zweite auf die Stimmabgabe verzichtet, ist das ein riesiges Potential. Folglich gilt es, die Nichtwähler zu erreichen und zu mobilisieren. Nicht alle, denn auch unter ihnen finden sich viele Demokratieverächter. Aber diejenigen, die wir kennen, von deren demokratischer Gesinnung wir wissen. Ihnen rufen wir von hier aus zu: Kommt hinter den Gardinen vor und geht wählen!! Ihr habt es in der Hand, ob sich der 30. Januar 1933 wiederholt oder eben nicht. Was ist denn schon der Gang zur Urne gegen die Dunkelheit, die über uns kommt, wenn die Rechtspopulisten erst, ich denke, man kann sagen wieder an der Macht sind?

Wenn jeder von uns nur eine demokratisch gesinnte Nichtwähler:in überzeugt, sich an den diesjährigen drei Wahlen zu beteiligen, wird es keinen Sieg der Rechten Kleingeister geben. Und jeder von uns kennt eine Nichtwähler:in, die er zur Wahl mitnehmen kann.

Den demokratischen Parteien, die in diesem Jahr gewählt werden wollen, sei ins Stammbuch geschrieben: Von Eurer Uneinigkeit leben die Rechten. Also reißt Euch am Riemen und zeigt in den kommenden Monaten, Wahlkampf hin oder her, Einigkeit gegen Rechts. Am besten wird Euch das gelingen, wenn Ihr nicht vordergründig nach der Macht strebt, sondern Euren Wählerinnen und Wählern die Demokratie als attraktivste aller Herrschaftsformen vermittelt und vorlebt.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen Durchhaltevermögen und Zuversicht. Es lohnt sich. Denn es steht nichts weniger auf dem Spiel, als unsere Demokratie.

Danke!

Michael Kölsch