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Stiftung ruft zu Kundgebung für die Ukraine auf [Update]

Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine hat die Stiftung Friedliche Revolution in Leipzig zu einer Kundgebung aufgerufen. Sie ist für Montag (28. Februar) um 18.00 Uhr auf dem Nikolaikirchhof vorgesehen, teilte der Stiftungsvorstand am Freitag in Leipzig mit. „Die kriegerische Eskalation seitens Russlands ist durch nichts zu rechtfertigen“, heißt es dazu im Stiftungsaufruf.

Fotos: Jens Klein

Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine hat die Stiftung Friedliche Revolution in Leipzig zu einer Kundgebung aufgerufen. Sie ist für Montag, 28. Februar um 18.00 Uhr auf dem Nikolaikirchhof vorgesehen, teilte der Stiftungsvorstand am Freitag in Leipzig mit. „Die kriegerische Eskalation seitens Russlands ist durch nichts zu rechtfertigen“, heißt es dazu im Stiftungsaufruf.

Darin ermuntert die Stiftung auch zur Solidarität mit den Menschen in der Ukraine. „Wir wollen uns versammeln, um gegen Krieg, die Invasion Russlands in die Ukraine und gegen Hetze und die Verbreitung von Unwahrheiten zu demonstrieren“, heißt es weiter. Seit 2014 seien bereits Tausende Menschen gestorben oder aus ihrer Heimat geflohen. Mit seinem kriegerischen Vorgehern verletze Russland das Völkerrecht und die staatliche Souveränität der Ukraine.

Die Pressemitteilung zum Aufruf finden Sie hier.

[UPDATE]

Um einen Eindruck von der gestrigen Veranstaltung zu bekommen, finden Sie hier ein paar ausgewählte Aufnahmen und zwei beeindruckende Reden (der Musikerin Melanka Piroschik und des Vorstandsmitglieds der Stiftung FR Michael Kölsch):


Ich bin für diese Rede nicht bereit. Ich bin erschöpft. Ich bin erschöpft davon meine Freunde und Familie weinen zu sehen. Ich bin müde davon meine Nächsten so erschöpft zu sehen. Erschöpft, wie viele von uns von all dem Planen, Organisieren, Koordinieren, Spenden, Trösten, Soren, Bangen und von der Wut. Ich kann nicht fassen, was passiert. Und ich habe ein Deja-vu. Ich habe diese Demos schonmal gesehen, die Gebete, die Reden. Vor 8 Jahren waren wir bereits einmal an diesem Punkt. Vor 8 Jahren war schonmal diese Anteilnahme. Vor 8 Jahren ist mein Onkel an die Front gezogen als damals 55-Jähriger Vater dreier Kinder. Vor 8 Jahren habe ich dieses Gedicht von Serhij Shadan, einer der großen literarischen Stimmen der Ukraine, übersetzt. Und jetzt liegt seine Stadt, liegt Charkiw, beinahe in Trümmern. Vor 8 Jahren hat er dieses Gedicht geschrieben! Klingt es nicht bekannt? Klingt es nicht, als hätte es gestern geschrieben werden können?
Seine Heimatstadt, Charkiw, die bekannt war vor allem für ihre reiche Literatur ist jetzt innerhalb weniger Tage zum Kriegsplatz verwandelt worden. Ich kann die Bilder nicht ansehen, ohne dass mein Hals sich zuzieht, als würden die Bilder selbst mir die Kehle zudrücken. 
Ich kann kein hochpolitische Rede halten, ich bin Musikerin. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wie ich meinen Mitbürgerinnen erklären soll, was die Ukraine jetzt braucht. Dass wir für die demokratischen Werte und Freiheit des Landes meiner Eltern und Freunde aufstehen müssen. Ich glaube nach all den Reden der letzten Tage ist das klar. Doch ich will noch einmal ganz klar sagen, auch den letzten, die noch versuchen, es nicht zu hören: Menschen sterben durch russische Truppen in der Ukraine, in genau diesem Moment. Mitten in Europa. Das Europa, das uns die größtmögliche Freiheit gibt. Warum dann nicht auch unseren Brüdern und Schwestern in der Ukraine? Warum müssen sie fürchten in die Steinzeit, in die Sovietunion zurückgefeuert werden? Menschen sterben, Menschen verlieren ihre Nächsten, Menschen werden verwundet und ihre Würde mit Füßen getreten – aber denkt nicht die Ukraine sei bereits gestorben. Sie ist es nicht. Sie kämpft und kämpft, denn wenn die russische Seite aufhört zu kämpfen, dann wird der Krieg aufhören. Wenn die Ukrainer aber aufhören zu kämpfen, wird die Ukraine aufhören zu existieren. Und so wie ich dieses Land kenne, wird es sich niemals kampflos auf die tiefste Ebene der Unterdrückung einlassen. Die Kultur der Ukrainer ist etwas, was so tief, so reich, so blühend ist, dass es mir nach all den Jahren immer wieder die Tränen in die Augen treibt. Unsere Musik, unsere Sprache, unsere Literatur und Kunst! Unsere Kunst! Als ich heute gelesen habe, dass russische Truppen das Museum der Volkskünstlerin Maria Prymachenko eingenommen und ihre Werke zerstört haben, habe ich geweint. Ich kann einfach nicht begreifen, mir fehlt es an Rohheit um zu begreifen, wie man ihre Werke hätte zerstören können. Diese bunten, kunterbunten, wunderschönen Bilder aus denen etwas wie eine ukrainische Seele spricht. Wie kann man nur…
Ich weine um die Menschen, ich weine, denn die Trauer um mich herum, ist unerträglich. Ich weiß aber auch, dass wir aufstehen werden. Dass wir die Kultur weitertragen werden und bete, dass die Ukraine und ihre Weite, ihre unendlichen Schätze, ihre Lieder nicht verschwinden. 
Und an meine Mitbürgerinnen gewandt will ich sagen: werdet nicht müde! Bitte verschließt nicht euer Herz vor denen, die kommen und Hilfe brauchen. Unterstützt uns, wir brauchen euch an unserer Seite. 
Wer von euch die Kraft hat – bitte kommt zu unseren Demonstrationen, steht bei uns, denn auch wir sind Teil von dieser Stadt! 
Wer von euch die Mittel hat – bitte spendet! Bitte kommt nachher an die Bühne, wir können euch sagen, wo das Geld grad gebraucht wird und wohin ihr spenden könnt, um JETZT zu helfen. 
Wer von euch bereit ist – redet mit euren Abgeordneten! Wir brauchen Hilfe und Schutz. Lasst uns nicht allein, auch nicht, wenn in 2 Wochen die Nachrichten vielleicht ab-ebben. 
Wer es es ernst meint mit Demokratie und Menschenrechten in Europa, muss den Freiheitskampf der Ukrainerinnen und Ukrainer unterstützen, muss bereit sein, dafür wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. So viel will ich dazu noch sagen. Es darf doch für uns nichts wichtiger sein, als demokratische Werte, staatliche Souveränität und die Wahrung der Menschenrechte MITTEN IN EUROPA zu unterstützen. 
Und an meine ukrainischen Mitbürger: Бережіть себе! Не допускайте до себе вину бо ви у беспеці! Помагайте один одному і самі собі пробуйте дати відпочити хоч на хвилинку! Я знаю і бачу що ми разом можемо досягнуту! Ми тримаємо небо! Давайте далі так будемо підтримувати наших! Ще не вмерла України ні слава, ні воля! Слава Україні!

Melanka Piroschik, Sängerinder Band des Abends "Moloch & Nadja"


Liebe Bürgerinnen,
liebe Bürger,
danke für die Gelegenheit einige Gedanken zu einem Krieg mit Euch zu teilen, der uns alle fassungslos macht.

Wer von Euch hat sich in den vergangenen Tagen nicht gefragt, wie es sein kann, dass heute, im 21. Jahrhundert nach fast 80 Jahren des Friedens der Präsident einer europäischen Nation einen souveränen Nachbarstaat mit einem Angriffskrieg nach altem Muster überzieht? Wie kann es sein, dass ein Großteil seines Volkes diesen barbarischen, Menschen verachtenden Akt gut heißt? Die Literatur-Nobelpreisträgerin und Russlandkennerin Herta Müller sagt in einem SPIEGEL-Interview im Februar dieses Jahres, ich zitiere: „… Er (Putin) ist kriminell sozialisiert und kennt keine anderen Mittel als zu lügen, zu fälschen, zu erpressen und zu heucheln“, Zitatende. Wie recht sie hat, zeigt sich an Putins zynischem Rechtfertigungsnarrativ, an dem er noch immer festhält, es handele sich bei dem Krieg, den er gegen sein Brudervolk führt, um eine Friedensmission. 
Nein, weder ist es eine Friedensmission noch ist es die Angst vor dem Verteidigungsbündnis NATO, die Putin antreibt. Es ist in Wahrheit seine Angst vor der Demokratie. Ihr wurde auf dem Maidan 2014 in Kiew der Weg bereitet. Viele mutige Ukrainer und Ukrainerinnen haben für die Demokratie, für Gerechtigkeit und Freiheit damals ihr Leben gegeben. Was, wenn sich sein Volk, das er mit eiserner Hand regiert und mit omnipräsenter Staatspropaganda verführt ein Beispiel an der Demokratieverbundenheit des Ukrainischen Brudervolkes nimmt? Was, wenn sein Volk in ihm den Kleptokraten Putin erkennt, dem persönlicher Reichtum, Machterhalt und Ruhm wichtiger sind, als das Wohl seines Volkes?
Würde sich der Wille des russischen Volkes nach Freiheit und Gerechtigkeit Bahn brechen, wie 1989 hier in Leipzig oder auf dem Maidan 2014, wäre es das Ende des Diktators Putin. Um dieses Ende, mit dem er rechnen muss, das zeigt die Geschichte, möglichst lange hinauszuschieben, ist Putin jedes Mittel recht, auch wenn es ein Angriffskrieg gegen sein Brudervolk ist. Ihm Einhalt zu gebieten ist daher schwer, ihn zu unterschätzen ein großer Fehler. Auf diesem Hintergrund appellieren wir an die internationale Staatengemeinschaft, auch an die Deutsche Bundesregierung: Unterschätzen Sie Putin als Präsidenten einer Atommacht nicht ein weiteres Mal. Sanktionieren Sie sein ungeheuerliches Handeln so hart als möglich. Aber sorgen Sie dafür, dass die mit harten Sanktionen unweigerlich einhergehenden Lasten für unsere eigene Bevölkerung gerecht verteilt werden und schützen Sie die russische Bevölkerung soweit als möglich. Es ist Putins persönlicher Krieg.
Die politischen Vertreter der Europäische Union seien daran erinnert: Einigkeit ist in der momentanen Situation von existentieller Bedeutung. Dies gilt auch für die Aufnahme der sich abzeichnenden hohen Zahl von Flüchtenden aus der Ukraine. Beweisen Sie endlich, dass die EU den ihr 2012 verliehenen Friedensnobelpreis tatsächlich verdient hat.
Den russischen Männern und Frauen, die trotz dieses barbarischen Krieges hinter ihrem Präsidenten stehen rufen wir zu: Wir Deutsche haben gelernt, dass man irren kann, wenn man sich in das gemachte Bett einer Mehrheitsmeinung legt. Mit der Unterstützung für Euren Präsidenten macht ihr euch mitschuldig am Tod Eurer Brüder in der Ukraine und am Tod Eurer Söhne. Euer Präsident belügt und verführt Euch. Stellt Euch gegen ihn. 
Den Vertretern der russischen Staatsmedien halten wir vor: Ihr tragt als Boten der Propagandalügen des Präsidenten einen großen Teil der Schuld an dieser Tragödie. Sagt endlich die Wahrheit! 
Die russischen Soldaten, die auf ihre Brüder in der Ukraine schießen, fordern wir auf: legt die Waffen nieder, die Sache, für die Ihr kämpft ist eine schlechte. 
Den Ukrainerinnen und Ukrainern, die unter dem beispiellosen aggressiven Akt des russischen Präsidenten Putin leiden, versichern wir: Wir stehen an Eurer Seite und sind in Gedanken bei Euch. Wir bewundern Euren Mut. Wir trauern mit Euch um Eure Toten. Und wir werden Euch mit offenen Armen aufnehmen, wenn Ihr auf der Flucht vor Krieg und Leid zu uns kommt.
Zu den mutigen Menschen in Russland, die auf die Straße gehen, um gegen den Bruderkrieg ihres Präsidenten zu demonstrieren rufen wir aus der Stadt der Friedlichen Revolution zu: Macht weiter, lasst Euch nicht unterkriegen, auf Euch ruhen die Hoffnungen von Millionen. Die friedlichen Proteste der Mutigen in der ehemaligen DDR haben gezeigt, dass es sich lohnt für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit einzustehen und dass es zu schaffen ist, ein Unrechtssystem ohne Waffen zu Fall zu bringen. Wir ermutigen Euch und versichern Euch unserer Solidarität. 
Und schließlich fordern wir den russischen Präsidenten Vladimir Putin auf, die Kampfhandlungen in der Ukraine unverzüglich einzustellen und diesem Wahnsinn eine Ende zu setzen. Gewähren Sie der Ukraine ihre völkerrechtlich verbriefte Souveränität zurück! Und seien Sie versichert, das gilt für alle Demokratieverächter dieser Welt: wer sein Volk der Macht wegen geißelt, verliert.
Als Zeichen des Mitgefühls mit den Menschen in der Ukraine bitte ich Euch, 1 Minute innezuhalten, zu schweigen und der Opfer zu gedenken, die dieser Krieg bereits gefordert hat und fordern wird. Unsere Gedanken sind auch bei den Müttern der gefallenen russischen Soldaten…

Vielen Dank!

Gez. Michael Kölsch
Leipzig, 28.02.2022