Banner, Fahnen, Transparente

Gedanken der Preisträger*innen zum nationalen Einheits- und Freiheitsdenkmal in Leipzig

Die Friedliche Revolution der Menschen in der DDR im Herbst 1989 war ein glücklicher Moment der deutschen Geschichte. Die gewaltlose und zivile Beendigung eines autoritären Systems, ausgelöst durch Freiheitssehnsucht und Drang nach Selbstermächtigung, gilt als weltweit bedeutendes Ereignis am Ende des zweiten Jahrtausends, als Signal der Hoffnung und als Möglichkeit für alle autoritär regierten Gesellschaften seitdem.
Der Deutsche Bundestag beschließt 2007 ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin zu errichten. 2008 wird der Beschluss des Bundestages auf Initiative von sächsischen Abgeordneten erweitert. Zusätzlich zu Berlin soll nun auch in Leipzig, stellvertretend für ganz Ostdeutschland, ein Ort geschaffen werden, der die Freiheitsbewegung von 1989/90 würdigt.
Der erste Denkmalprozess in Leipzig scheitert 2014. In einem zweiten Anlauf wird ab 2017 ein umfangreicher Beteiligungsprozess von Bürgerschaft und Fachleuten zu möglichen Standorten und dem Konzept begonnen. Im Juni 2022 bestätigt der Leipziger Stadtrat die von der Stiftung Friedliche Revolution ausgearbeiteten Vorschläge zum Standort am Wilhelm-Leuschner-Platz und zum Verfahren eines künstlerischen Wettbewerbs für die Gestaltung des künftigen Denkmals.
Zur Gestaltung der Freiflächen des Wilhelm-Leuschner-Platzes wurde von der Stadt Leipzig ein freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb durchgeführt und im März 2024 das Projekt „Ökotopia“ von Atelier Loidl aus Berlin mit dem 1. Preis prämiert. Der Freiraumentwurf bildete eine Grundlage des sich anschließenden künstlerischen Wettbewerbes. Das Einheits- und Freiheitsdenkmal sollte in den Park integriert werden. Am 1. Oktober 2024 wählte die eingesetzte internationale Jury nach zweitägigen Beratungen unseren Beitrag „Banner, Fahnen, Transparente“ einstimmig zum Sieger des Wettbewerbsverfahrens.

Bild: Atelier Loidl / Meyer, Grzesiak, ZILA / rendercircle

Unser Entwurf sieht vor, ca. 50 „Banner, Fahnen und Transparente“ als überlebensgroße weiße Skulpturen im neuen Park zu „verstreuen“. Banner, Fahnen und Transparente stehen als universelles Sinnbild, eigene Überzeugungen in den öffentlichen Raum zu tragen. Als abstrakte Skulpturen sind sie Symbole für den Mut, Zeichen zu setzen, eine Haltung zu vertreten, für die eigene Meinung Verantwortung und Konsequenzen zu tragen und trotz Unterdrückung und Bedrohung mit den eigenen Überzeugungen den Diskurs mit der Gemeinschaft zu suchen und zu führen.
Die weißen Objekte stehen für Freiheit als »unbeschriebenes Blatt«, die noch zu tätigende Meinungsäußerung, die respektiert, ausgehalten und berücksichtigt werden muss. Sie stehen gleichzeitig für die Wahrnehmung und die Respektierung der Meinung des Gegenübers, für die Ansichten anderer. Sie stehen auch für unbedingte Gewaltlosigkeit – für die Friedliche Revolution. Kalenderdaten bedeutsamer Ereignisse auf dem Weg zu Freiheit und Einheit werden als „Ziffernzug“ im Boden eingelassen. Die geschichtlichen Meilensteine korrespondieren mit den weißen Skulpturen im Park.
Der zukünftigen Parkanlage am Leuschner Platz wird mit dem dezentralen Denkmal eine zusätzliche Ebene in Höhe der Unterkante der Baumkronen hinzugefügt, die sich integriert und trotzdem stört, die überall im Park eine fremdartige Präsenz entwickelt, ohne den Park zu beherrschen.
Die Verdichtung der Transparente am Leipziger Innenstadtring schafft einen zentralen Ort im dezentralen Denkmal, der sich direkt auf die Leipziger Demonstrationen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft bezieht. Die Überlagerung des Denkmals mit dem alltäglichen Leben im grünen Park ist Teil des Konzeptes.
Das Denkmal kann in verschiedenen Maßstäben, als Ganzes und, oder in Teilen, wahrgenommen werden. Aus den oberen Stockwerken der umliegenden Gebäude sind die Streuungen im Zusammenhang wahrzunehmen. Im Park selbst setzt sich das Denkmal dynamisch durch Bewegung, das Durchkreuzen und räumliches Erleben zusammen.

Das Freiheits- und Einheitsdenkmal soll der Aufbruchstimmung in der gesamten DDR im Herbst 1989 eine räumliche Entsprechung geben. Es soll ein Ort des gemeinsamen Erlebens entstehen, der uns daran erinnert, was mit Hoffnung, Mut und Zuversicht möglich ist und damit weit über Leipzig und das Jahr 1989 hinausweisen.

Bea Meyer, Michael Grzesiak, ZILA
Dezember 2024

Bild: Atelier Loidl / Meyer, Grzesiak, ZILA / rendercircle
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