Warum Leipzig ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal braucht

Presseerklärung der Initiative "Tag der Friedlichen Revolution - Leipzig 9. Oktober

"Wir sind das Volk!" ging als Ruf der Leipziger Montagsdemonstranten im Herbst '89 um die Welt und symbolisiert bis heute den Wunsch nach Freiheit und Demokratie. Leipzig wurde 1989 zur Stadt der Friedlichen Revolution, die zum Sturz der SED-Diktatur führte und den Weg zur Wiedervereinigung ebnete. Entscheidend für den friedlichen Verlauf war die Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989, ohne die der Mauerfall in Berlin am 9. November nicht möglich gewesen wäre.

Das Denkmal setzt ein langfristiges Zeichen für die nationale Dimension der Friedlichen Revolution

 Die Initiative "Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989", der zahlreiche Leipziger Institutionen angehören, pflegt seit 1999 die Erinnerung an den Herbst '89 mit zunehmendem Erfolg. Besonders im Jubiläumsjahr 2009 gelang es, den 9. Oktober als zentralen Gedenktag deutschlandweit zu etablieren. Während des Lichtfestes 2009 zogen rund 150 000 Menschen gemeinsam über den Leipziger Innenstadtring und würdigten damit die mutigen Bürger, die 20 Jahre zuvor durch ihren Mut Freiheit und Demokratie erkämpften. Der Leipziger Stadtrat hat den 9. Oktober deshalb zum städtischen Gedenktag erklärt.

Die Friedliche Revolution droht jedoch wieder zum regionalgeschichtlichen Phänomen zu werden, wenn es nicht gelingt, diese nachhaltig im Bewusstsein der Menschen und der Gesellschaft zu verankern. Die Initiative setzt sich deshalb für ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig ein, um so langfristig ein Zeichen für die deutschlandweite und internationale Bedeutung der Friedlichen Revolution zu setzen.
Gerade dieses besondere und außergewöhnliche Ereignis bedarf für eine dauerhafte Verankerung im öffentlichen Bewusstsein, konkreter Orte und konkreter Daten. Hier bieten sich Leipzig mit der Demonstration am 9. Oktober 1989 und Berlin mit dem Mauerfall am 9. November 1989 zwingend an.

Leipzig ist der Symbol-Ort der Friedlichen Revolution

Die Friedliche Revolution wurde in vielen Städten wie Berlin, Dresden oder Plauen von mutigen Bürgern getragen, die mit ihren Demonstrationen Demokratie und Freiheit forderten. Die Entscheidung fiel am 9. Oktober 1989 jedoch in Leipzig, als 70 000 Menschen die kommunistische Diktatur in die Knie zwangen, indem sie trotz drohenden Schießbefehls friedlich gegen das SED-Regime demonstrierten.

Tausende waren extra in die Stadt gereist, um diesen "Tag der Entscheidung" mitzubestimmen. Die ungeheuere Menge gewaltfreier Menschen zwang die bewaffneten Organe in die Defensive. So wurde Leipzig zu dem Ort, an dem die Friedliche Revolution ihren entscheidenden Sieg errang. Der gewaltfreie Verlauf des 9. Oktober 1989 ermutigte viele und wurde als zentrales Signal wahrgenommen. Mit der Friedlichen Revolution errangen die Menschen im ganzen Land die Freiheit und schufen gleichzeitig wichtige Voraussetzungen für die deutsche Wiedervereinigung sowie den europäischen Einigungsprozess.

Die Entscheidung des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Landtages bis zu 6,5 Millionen Euro für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig bereit zu stellen, würdigt nicht nur den Mut der Leipziger sondern richtet sich an alle, die sich im Herbst 1989 auch außerhalb der Stadt für Freiheit und Demokratie eingesetzt haben.

Authentische Orte und Ausstellungen ergänzen das Denkmal

Leipzig verfügt über zahlreiche Lern- und Erinnerungsorte zur Friedlichen Revolution, wie das Zeitgeschichtliche Forum, die Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke", die Nikolaikirche, das Archiv Bürgerbewegung oder die Leipziger Außenstelle der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR. Verschiedene authentische Orte, die im Verlauf der Friedlichen Revolution wichtig waren, wie der Nikolaikirchhof oder die "Runde Ecke", sind inzwischen gekennzeichnet. All diese Angebote sind untereinander und mit dem künftigen Freiheits- und Einheitsdenkmal zu vernetzen, können dieses aber nicht ersetzen.

Ein Denkmal würde zum Symbol dieser breitgefächerten Erinnerung und somit zur sinnstiftenden Klammer werden. Die jüngere deutsche Geschichte kann ohne die Friedliche Revolution, die der erste erfolgreiche und noch dazu gewaltfreie antidiktatorische Aufstand in war, nicht erzählt werden. Umso mehr braucht Leipzig ein weit über die Stadtgrenzen hinaus wirkendes Symbol, das an diesen Umbruch erinnert.

Gästen der Stadt und Leipziger Bürgern wird mit einem Denkmal ein ästhetischemotionaler Zugang zu einem zentralen Ereignis der deutschen Nationalgeschichte gewährt, der den Nachgeborenen dauerhaft als Erinnerungs- und (Rück-)Besinnungsort zur Verfügung steht. Das bleibende Vermächtnis der Friedlichen Revolution – der Mut zur Zivilcourage, der Wert von Meinungsfreiheit, Demokratie und Reisefreiheit und der Appell an die Notwendigkeit von Gewaltlosigkeit bei gesellschaftlichen Umbrüchen – sollte durch einen zentralen (Gedenk-) Ort über Jahrzehnte weiter getragen werden.

Gerade Jüngeren, die die Friedliche Revolution nicht mehr aus eigenem Erleben kennen, sollte die Möglichkeit eines individuell erfahrbaren Zugangs zu diesem Erbe gegeben werden – für denjenigen, der über eigene Erinnerungen verfügt, sollte ein Ort geschaffen werden, der seinen Mut wertschätzt und angemessen würdigt.

Der Weg zum Denkmal

Der Leipziger Stadtrat hat mehrheitlich für die Errichtung eines Denkmals gestimmt. Die Initiativgruppe unterstützt diese Entscheidung nachdrücklich und möchte bei der Umsetzung die bereits in den beiden vergangenen Jahren geführte öffentliche Debatte fortsetzen.

Die Stadt Leipzig plant für den Monat Februar verschiedene Workshops, in denen sich Bürger und Experten differenziert mit den Anforderungen an Form und Inhalt des Denkmals auseinandersetzen. Im Rahmen eines internationalen Jugendworkshops werden Jugendliche aus Krakow (Polen), Houston (USA) und Leipzig die Sicht der jungen Generation in den Prozess einbringen. Diese Ergebnisse werden im Rahmen eines Bürgerforums zur Diskussion gestellt, ehe der Leipziger Stadtrat darüber entscheidet. Die konkrete Gestaltung wird dann durch eine internationale Ausschreibung gefunden.

Eine ästhetisch überzeugende künstlerische Zeichensetzung bedingt eine andere Formensprache als die Denkmalskultur des 19. und des 20. Jahrhunderts mit ihrer Monumentalisierung. Ein Denkmal im 21. Jahrhundert muss individuell erfahrbar und sinnstiftend sein. Darüber mit den Leipzigerinnen und Leipzigern gemeinsam ins Gespräch zu kommen, ist der nächste zielführende Schritt. Nur so wird das Denkmal Teil einer demokratischen Erinnerungskultur und kann Impulse für kommende Generationen geben.

Initiative "Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989"

Der Initiative "Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989" gehören vor allem Leipziger Bürger, Organisationen, Institutionen, Museen und andere Einrichtungen an, welche alle einen direkten Bezug zum Herbst 1989 haben. Unterstützt wird die Initiative von der Stadt Leipzig und der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH.

Die Initiative fühlt sich der Erinnerung an die Friedliche Revolution und besonders der Rolle Leipzigs verpflichtet und ist so die bestimmende Kraft für ein lebendiges Erinnern an 1989/90 als entscheidende Chiffre der Nationalgeschichte und ihrer internationalen Bedeutung. In Anlehnung an den damaligen "Tag der Entscheidung" will sich die Initiative den aktuellen Herausforderungen unserer Gesellschaft stellen und ermutigende Signale für die Gestaltung der Zukunft aussenden.

 

Mitglieder der Initiative sind:

Tobias Hollitzer (Sprecher der Initiative),
Leiter Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke"
Prof. Dr. Rainer Eckert (Stellvertretender Sprecher der Initiative),
Direktor Zeitgeschichtliches Forum Leipzig
Christoph Bernhard, Sächsische Bildungsagentur Regionalstelle Leipzig
Volker Bremer und Marit Schulz, Geschäftsführung Leipziger Tourismus und Marketing GmbH
Falk Elstermann, Leiter naTo e.V.
Christian Führer, Vorstandmitglied Stiftung "Friedliche Revolution"
Superintendent Martin Henker, Ev.-Luth. Kirchenbezirk Leipzig/Nikolaikirche
Prof. Dr. Günther Heydemann, Professor für Neuere Geschichte und
Zeitgeschichte an der Universität Leipzig
Anja Richling, Gewandhaus zu Leipzig
Dr. Volker Rodekamp, Direktor Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Michael Schetelich, künstlerischer Produktionsleiter der Oper Leipzig
Regina Schild, Außenstellenleiterin BStU Leipzig
Uwe Schwabe, Leiter Archiv Bürgerbewegung Leipzig
Rolf Sprink, Leiter Volkshochschule Leipzig
Walter Christian Steinbach, Stiftungsrat der Kulturstiftung Leipzig
Elke Urban, Leiterin Schulmuseum Leipzig