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Stiftung Friedliche Revolution trauert um Christian Führer

Die Stiftung Friedliche Revolution trauert um Pfarrer em. Christian Führer. Ihm verdankt sie den wesentlichen Anstoß zu ihrer Gründung vor fünf Jahren, aber auch maßgebliche Impulse für die seither geleistete Arbeit. Mit ihm verliert sie einen ebenso aufrichtigen wie glaubwürdigen Christenmenschen sowie einen warmherzigen, mutigen und engagierten Mitstreiter, der wie kein anderer auf seine Weise zur Friedlichen Revolution beigetragen hat. Als Mitglied des Vorstands unserer Stiftung hat er sich bis in seine letzten Lebenstage für die Anliegen der Stiftung eingesetzt.

Christian Führer hat die Friedliche Revolution gern als „Wunder biblischen Ausmaßes“ bezeichnet. Aber nicht nur im Herbst 1989, sondern sein ganzes Leben lang hat er aus seiner unbefangenen Jesusfrömmigkeit heraus den Mut zur Veränderung und zugleich diese unwiderstehliche Verbindlichkeit aufgebracht. Für ihn gehörten Altar und Straße zusammen. Das hat er nicht nur in seinen Gottesdiensten und Friedensgebeten gepredigt, sondern auch gelebt. Das war zweifellos auch ein Teil der großen Kraft, die hinter der Friedlichen Revolution stand.

Christian Führer hat nie einen Zweifel daran gelassen, woher er seine Kraft und seinen Glauben nimmt: Aus der Botschaft des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Die Bergpredigt war für ihn keine individualistische Anleitung zum gottgefälligem Leben, sondern Angebot und Verheißung für eine gerechte und friedliche Welt, in der die Waffen schweigen und die feindlichen Lager aufeinander zugehen können. Der Ruf „Keine Gewalt“ war für ihn die kürzeste und prägnanteste Zusammenfassung der biblischen Bergpredigt.

Wie kaum ein anderer hat Christian Führer zu DDR-Zeiten wie in den zweieinhalb Jahrzehnten danach auf Defizite in den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen unseres Landes und der globalen Welt aufmerksam gemacht. Dazu hat er auch nach der Friedlichen Revolution an den wöchentlichen Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche festgehalten, die im Herbst 1989 Ausgangspunkt für die großen Montagsdemonstrationen auf dem Leipziger Ring waren. Die Friedensgebete als Gottesdienst im Alltag der Welt werden immer mit seinem Namen und seiner Person verbunden bleiben.

Christian Führer war zweifellos ein einzigartiger Seelsorger, der viele Menschen angesprochen hat und auf den viele gehört haben. Groß ist auch die Zahl derer, denen er mit Hilfe und Rat sein Leben lang beiseite gestanden hat. In seinen Predigten hat er immer wieder Menschen aufgerichtet und ihnen Lebensmut zugesprochen.

Großen Respekt verdient zudem die Geradlinigkeit, mit der sich Christian Führer immer neu für Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenwürde eingesetzt hat. Dankbar erinnern wir uns an sein Eintreten für Arbeits- und Wohnungslose sowie für Flüchtlinge und Asylsuchende. Mit großem Respekt denken wir zudem an seinen Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus in unserem Land, vor denen er seit vielen Jahren immer wieder gewarnt hat.

Christian Führers Bereitschaft, „offen für alle“ zu sein, hat nicht nur vielen Menschen vor und nach der Friedlichen Revolution den Weg in die Kirche ermöglicht. Er hat damit auch die verschiedenen Oppositions- oder Reformgruppen in der Stadt zur Mitarbeit bei den Friedensgebeten eingeladen. Dabei hat er dort, wo er grundlegende Prinzipien verletzt sah, auch die Auseinandersetzung um den richtigen Weg nicht gescheut, ohne dabei auszuschließen, dass er auch irren kann.

Mit der 2009 erfolgten Gründung der Stiftung Friedliche Revolution, für die er bewusst Menschen aus Ost und West zu gewinnen suchte, hat er für sich und andere die Möglichkeit geschaffen, den Geist vom Herbst 1989 wach zu halten. Dabei ging es ihm nicht darum, die Friedliche Revolution ins Museum zu stellen, sondern sich aus diesem Geist heraus auch heute den gesellschaftspolitischen Herausforderungen zu stellen. Das Motto „Wir gehen weiter“, das wir Christian Führer verdanken, will auf dieses Ziel und diese Aufgabe aufmerksam machen. Diesem Motto ist und bleibt die Stiftung auch weiterhin verpflichtet.

Bescheidenheit, Zurückhaltung und das unverdrossene Vertrauen auf Jesus Christus haben das Leben von Christian Führer geprägt. Hinzu kam das Kämpferische, das auch seine Predigten bestimmt hat. „Ihr seid das Salz in der Suppe!“ hat er mehr als einmal anfeuernd und definitiv an den Schluss seiner Predigten gesetzt. So hat er Menschen immer wieder ermutigt, sich in ihre eigenen Angelegenheiten einzumischen. Mit ihm brauchte das Land keine Helden, denn es hatte aufrechte, unerschütterliche Christen.

Sein Wirken hat tiefe Spuren hinterlassen – auch bei uns. Dafür werden wir ihm immer dankbar sein. Seine Bereitschaft, Frieden und Versöhnung den Vorrang vor Rechthaberei und Streit einzuräumen, soll uns auch künftig anspornen, für eine friedlichere und gerechtere Welt einzutreten. So nehmen wir Abschied von einem Menschen, dem wir sehr viel verdanken und der uns jetzt schon unendlich fehlt.